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Die
nächsten 1.000 Höhenmeter vernichten wir noch schnell
auf gutem Asphalt und liegen noch am selben Abend entspannt in den
heißen Quellen von Poring. Poring, das heißt in der
Sprache der Ureinwohner Bambus. Zwergenhaft kommen wir uns vor auf
dem schmalen Pfad durch Urwaldriesen und Bambuswälder. Nur
wenige Besucher sind hier unterwegs, denn erst nach 1,5 Stunden
über den steilen, glitschigen Weg erreicht man die sieben Fälle
des Langanan-Wasserfalls. Erfrischend, in den vielen Pools unterhalb
der Wasserkaskaden zu schwimmen, völlig einsam und doch von
der geheimnisvollen Geräuschkulisse des Dschungels umgeben.
Die Tierwelt ist nicht zu überhören, zu Gesicht bekommt
man in der Regel jedoch nur Blutegel, die man mit einer Priese Salz
auch schnell wieder los wird.
Einen Einblick
in die oberen Stockwerke des Dschungels bietet ein schwankendes
Hängebrückensystem, das sich bis zu 40 Meter hoch zwischen
vier Urwaldriesen aufspannt. Absolut lohnenswert, jedoch nur für
schwindelfreie Besucher. Sogar
einen Campingplatz gibt es in Poring. Bei Regen - und das ist der
Normalfall - heißt es in der sumpfigen Wiese allerdings >>Land
unter<<. Bis Telupid führt die
Straße weiter durch die Berge. Hitze, Steigungen, erfrischende
Bäche, Regenwald und viele kleine Dörfer kennzeichnen
diese Etappe. Kleine Jungen laufen mit buntgefiederten Hühnen
in der Hand ins Dorf. Auf dem Markt von Telupid und den umliegenden
Restaurants sollte man sich unbedingt für die kommenden 50
Kilometer eindecken, denn ab jetzt stehen vom ursprünglichen
Tieflandregenwald nur noch einzelne verkohlte Baumleichen in den
scheinbar endlosen Ölpalmenplantagen. Keine Dörfer, keine
Bäche, kein Schatten, nur die Überlandbusse KK-Sandakan
und die stinkenden, überladenen Lastwagen, die die orangen
Früchte der Ölpalmen zu den Ölmühlen fahren,
bringen Bewegung ins Bild. Wenn
man Glück hat, hängen an manchen der kleinen Holzstände
an der Straße ein paar Bananen, Ananas oder Papayas und eine
Blechdose mit Schlitz, in die man den angegebenen Betrag Ringgit
einwirft. Selbstbedienung auf malayisch.
Sandakan ist
eine schmutzige Großstadt, wenig sehenswert, dafür aber
wichtiger Versorgungspunkt. Sogar einen neuen Mantel bekomme ich.
Der Grund, überhaupt den Abstecher nach Sandakan zu machen,
ist jedoch ein anderer: 25 Kilometer vor der Stadt wurde in Sepilok,
einem Mangroven- und Tieflandregenwaldgebiet eine Aufzucht- und
Auswilderungsstation für Orang-Utans eingerichtet. Orang-Utan,
das heißt übersetzt Waldmensch und einer Sage nach sind
diese Waldmenschen viel intelligenter als andere. Sie weigern sich
nur zu sprechen, da sich sonst ja arbeiten müssten und nicht
den ganzen Tag in den Bäumen herumspringen könnten.
Auch mein Stativ
wird von den jungen Menschenaffen mit einem Baum verwechselt. Überall
klettern sie hoch, diese roten Wollknäuel mit den vier langen
Armen. Verspielt sind sie und neugierig, beobachten jede unserer
Bewegungen genau und wollen natürlich dann auch genau auf den
Knöpfen herumdrücken, die man gerade betätigt hat.
Andere liegen im Gras, schneiden Grimassen und lassen sich fotografieren.
Mir ist dabei allerdings unklar, ob wir uns mehr über sie wundern,
oder umgekehrt.
Interessant
ist vor allem die Fütterung bei Plattform B, zu der man noch
30 Minuten weiter hinein in den Dschungel laufen muß. Die
hier lebenden wilderen Orang-Utans zeigen uns, daß auch sie
keine Blutegel mögen, dafür aber unsere Wochenration Bananen
innerhalb weniger Minuten verschlingen können. Leider
können wir nicht die vor der Küste Sandakans gelegenen
Inseln des Turtle-Island-Parks besuchen, auf die jede Nacht Meeresschildkröten
zur Eiablage kommen. Der Ausflug ist wegen der begrenzten Besucherzahl
lange voraus zu buchen.
Also machen
wir uns weiter auf den Weg nach Süden. Kota-Kinabatangan ist
eine verstreute Neubaustadt, mitten im flachen, gerodeten und von
Plantagen durchzogenen Land. Es ist inzwischen dunkel, da wir erst
nachmittags Sepilok verlassen haben. Riesige Schwalbenschwärme,
deren Zuhause die nahegelegenen Gomantong-Höhlen sind, huschen
im Tiefflug über die Straße. Ein Malaie sitzt im Mondschein
auf dem Brückengeländer über den Kinabatangan-River
und spielt Gitarre. Niemand scheint sich über uns zu wundern,
nur die Hunde sind nachts wesentlich agressiver. Irgenwann ein kleines
Dorf, Raststelle für die Autofahrer - und natürlich für
uns. Wir sind in Paris. Ja, so heißt dieser Flecken. Kleine
Jungen, die kaum über die Tischkante schauen, üben das
Erwachsensein schon mal an der Zigarette. Betrunkene LKW-Fahrer
spielen Karten und alle starren wie gebannt auf das, was ihnen ein
Actionfilm an westlicher Kultur zu vermitteln versucht. Mit den
üblichen Fragen nach dem Woher und Wohin ist das Interesse
an uns ziemlich gedeckt. Wir stärken uns mit Tee und weiß-rotem
Marmorkuchen, der irgendwie nach Fisch schmeckt.
Erst um Mitternacht
schlagen wir kurz vor Lahat-Datu unser Zelt auf. Es war gut, diesen
schattenlosen kahlen Streckenabschnitt bei Vollmond zu radeln, denn
tagsüber wäre die Hitze kaum eträglich gewesen.
Es wird wieder
bergig, doch immer noch geht es nur durch Plantagen. Von Regenwald
kaum eine Spur. Wenigstens erreicht uns bei jedem neuen Anstieg
ein kühlender Regenschauer. Die
letzten 100 Kilometer vor Semporna sind nahezu ohne Versorgungsmöglichkeit.
Die Landschaft bietet nichts außer Kahlschlag, verbrannte
Wälder und neuangelegte Plantagen.
Semporna ist
ein hektisches Städtchen, bietet aber auch wieder alle Leckereien
aus vielen Teilen Asiens. Doch wir sind aus einem anderen Grund
hier: Sipadan. Diese winzige Insel, die als Spitze einer Kalknadel
600 Meter vom Meeresgrund aufragt, gilt als eines der besten Tauchreviere
der Welt. Das merkt man auch am Preis. Wir beschränken uns
deshalb auf einen Tagesausflug zum Schnorcheln. Hassan fährt
uns mit seinem Außenborder vorbei an den Mangroven, durch
kleine Inseln und Riffe, auf denen oft Pfahldörfer stehen hinaus
zu dem 30 Kilometer vor der Küste gelegenen Eiland.
Die Fahrt war
es wert. Wie ein Pilz hat sich um die unter Wasser senkrecht aufragenden
Wände von Sipadan ein überhängendes und noch sehr
intaktes Riff gebildet. Im glasklaren Wasser schweben wir über
der abbrechenden Riffkante. Bunte Fischschwärme, unzählige
verschiedene Korallen und Muscheln, kleine Riffhaie und vor allem
riesige Schildkröten bevölkern das Riff. Scheinbar schwerelos
bewegen sich diese Kolosse geschickt durchs Wasser, strecken immer
wieder zum Luftholen ihre Köpfe heraus und tauchen wieder in
die Tiefe. Weiter
draußen, auf den zu Indonesien gehörenden Inseln sitzen
die Piraten. Immer wieder gibt es an der Küste Sabahs Überfälle.
Hassan drängt darauf, noch vor Einbruch der Dunkelheit zurückzufahren,
denn dann ist man auf dem offenen Meer nicht mehr sicher. Doch die
Piraten zeigen sich nicht, nur fliegende Fische begleiten unser
Boot. Wir genießen das vorerst letzte Stück Straße.
Tawau macht trotz seiner Größe einen sauberen und ruhigen
Eindruck. Es ist mit seinem großen Hafen der wichtigste Knotenpunkt
zu Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos. Eine Straßenverbindung
existiert nicht.
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