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Reportage: Borneo - Durch das Land der Kopfjäger |
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Wir
wissen jedoch, daß sich das Netz von Holzfällerpisten
westlich von Tawau entlang der Grenze inzwischen durch die ganze
Insel gefressen hat. Hier wollen wir durch, zurück nach KK.
Wellblechpiste
erwartet uns. die dicke Staubschicht nimmt uns noch lange nach jedem
passierten Fahrzeug die Sicht. Bei dieser Rüttelstrecke bricht
mir auch noch der Chrom-Moly-Lowrider, den ich in Kalabakan wieder
reparieren kann. Hier laufen die Pisten zusammen. Hier am Unterlauf
des Kalabakan-Rivers wird das geschlagene Holz verladen. Mich schaudert
noch heute beim Anblick dieser qualmenden Ansammlung von Holzhütten
und Sägewerken, das Zentrum des Krebsgeschwürs im Dschungel
Borneos. Wie nach der biblischen Heuschreckplage sieht es hier aus,
doch die Heuschrecken laufen auf zwei Beinen, fahren Bulldozer und
sind überzeugt, einen wichtigen Beitrag zum wirtschatlichen
Aufschwung Malaysias zu leisten.
Über den
weiteren Verlauf erfahren wir nur >>up
and down, many hills<< und >>you
are crazy<<. Man erzählt uns auch
von einigen Resthouses. Nach etwa 20 Kilometern geht es dann auch
in die Berge. Die Piste wurde vermutlich dort gebaut, wo die besten
Bäume standen, jedenfalls finden wir es sehr unvernünftig,
im Zickzack durch den Dschungel zu radeln und dabei kaum einen Hügel
auszulassen. Wir schieben oft berghoch. Die Steigung zwingt dazu.
Auch bergab kommt man wegen dem Wellblech schnell in Resonanz, oder
die Auflage aus dickem Staub und runden Steinen läßt
keine Kontrolle mehr über das Rad zu. Mit Urwaldriesen beladene
Holztransporter brechen die Piste hinab, um mit Schwung auf der
anderen Seite möglichst gut wieder hochzukommen. Steine fliegen.
Jedesmal gehen wir in Deckung. Wir sind froh um jeden Regenschauer,
der das Radelklima entscheident verbessert und vor allem den Staub
bindet.
Den Glauben
an irgendein Resthouse haben wir schon lange aufgegeben. Erst als
es dunkel wird stehen wir plötzlich in einem großen Holzfällerlager.
Ein ganzer Tag harte Arbeit und nur 64 Kilometer geschafft! Wir
sind froh, hier freundlich aufgenommen zu werden, freuen uns über
eine gehaltvolle Nudelsuppe und sind sicher, heute Nacht gut zu
schlafen.
Nach dem gemeinsamen
Frühstück mit den meist indonesischen Arbeitern geht es
weiter. Die Piste wird gleichmäßiger, ist besser ausgebaut
und weniger steil als am Vortag. Auch Imbissbuden und Holzfällerlager
sind in passablem Abstand vorhanden. Immer wieder fragen wir, ob
wir in diesem Spinnennetz noch auf der richtigen Piste sind. Dann
steht doch tatsächlich das absolut erste Schild mit der Aufschrift
>>Keningau<<
am Weg. Nicht zu Unrecht, denn hier verlassen wir die Hauptpiste.
Dies scheint der Beginn der Verbindung zu dem Netz aus Pisten zu
sein, über die der Holztransport zur anderen Küste erfolgt.
Wenig später
stecken wir fest. Feuchter Ton läßt kein Weiterfahren
zu. Auch Schieben ist nur wenige Meter möglich. Sofort hat
die zähe Masse alle Zwischenräume zu den Reifen verklebt.
Da hilft es auch nichts, die Steckschutzbleche abzunehmen. Warten,
bis die Piste getrocknet ist hat in diesem Klima auch wenig Aussicht
auf Erfolg. Was tun? Mit hoher Geschwindigkeit fahren, denn die
wenigen Autos haben offensichtlich auch kein Problem. Doch ich überschätze
die Beweglichkeit der Fahrrradmechanik. Der Ton hat sich bereits
so in Kette und Schaltung festgesetzt, daß es mir beim Antreten
das komplette Schaltwerk abreißt. Wir
haben Glück. Das erste Fahrzeug, das nach einer halben Stunde
vorbeikommt ist ein leerer Pickup-Geländewagen, der sogar aus
dem gesamten Gebiet herausführt, 200 Kilometer weit bis Keningau.
So sollen wir doch noch in dieser Nacht das andere Ende der Piste
erreichen. Wir sind froh über den Transport, denn bis Sapulut,
der ersten Siedlung stellt die Piste alles dagewesene weit in den
Schatten. Enlose Steigungen wühlt sich unser Fahrer durch tiefen
Matsch hoch und runter. Auf weiten Strecken bleibt die klebrige
Tonauflage. Wir hätten unsere Räder tagelang tragen oder
auf eine Trockenperiode warten müssen. Ein aussichtsloses Unterfangen.
Zwar gibt es in Keningau einige Autowaschanlagen, bei denen wir
ganz selbstverständlich mit unseren Bikes bedient werden, eine
passende Schaltung läßt sich aber nicht auftreiben. Doch
Transportprobleme gibt es nicht. Wir machen schnell einen Pickupfahrer
ausfindig, der uns durch das malerische Hochtal von Tambunan und
über die Crocker-Range zurück nach Kota-Kinabalu bringt.
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Von
hier aus läßt sich einiges unternehmen, zum Beispiel
Raften. Mit dem Bus geht es nach Beaufort und weiter mit einer Schmalspurbahn
hinein in die Schlucht, durch die der Padas das Küstengebirge
der Crocker-Range durchbricht. Ein feuchtes und leider nicht billiges
Vergnügen, aber absolut lohnenswert ist es, durch die Fluten
des Padas hinunterzupaddeln. Erholung
findet man dagegen auf den Inseln des in Sichtweite der Stadt gelegenen
Tunku Abdul Rahman Parks. Mit etwas Glück sieht man dort auch
Varane. Diese einen Meter langen Echsen sind allerdings sehr scheu.
Mit Sicherheit trifft man aber auf die unverschämt frechen
Makaken, vor denen nichts sicher ist. Gut ausgebaute Wege führen
durch den Primärregenwald der Inseln und auf Planken durch
die Mangroven.
Mit dem Bus
nach Tambunan erreicht man von KK aus das auf der Paßhöhe
gelegene Rafflesia-Center. Die Rafflesia gilt als die größte
Blüte der Welt. Manche Arten können bis zu einem Meter
Durchmesser bekommen. Sie wachsen als Parasiten an den Wurzeln einer
bestimmten Lianenart, die nur in einer sehr begrenzten Höhenlage
vorkommt. Wir kommen gerade rechtzeitig, die seltene und nur wenige
Tage dauernde Blüte einer Rafflesia zu erleben.
Doch genug
von KK. Ich will weiter nach Süden, fahre erneut ins Landesinnere,
zurück auf der Straße nach Keningau, diesmal jedoch mit
dem Radl. Und wieder gibt es ein für Malaysia so typisches
Erlebnis: Im Restaurant eines kleinen Dorfes stellt man die üblichen
Fragen, wo man herkommt, wo man hinfährt und ob man verheiratet
ist. Ansonsten sind die Menschen sehr zurückhaltend. Als ich
dann zahlen will stellt sich heraus, daß das irgendein Tischnachbar,
der schon lange ohne ein Wort zu sagen gegangen ist, bereits erledigt
hat. In
Tomani ist wieder einmal das Ende der Straße erreicht. Die
längste Hängebrücke Sabahs liegt inzwischen im Padas
und eine Fähre übernimmt ihren Dienst. Doch meine Piste,
die auf keiner Karte verzeichnet ist, biegt schon kurz vorher an
der Moschee nach rechts ab. Nach Sipitang soll sie führen.
Es gibt fast keinen Verkehr. Die Trasse ist ausgewaschen, extrem
steil, aber fest und ohne Ton. Ein Geländewagen überholt
mich im letzten Anstieg vor dem Paß. Kurz darauf habe ich
ihn wieder eingeholt. Er hat sich mangels Achsverschränkung
in einer tiefen Rinne selbst aufgehängt. Ein Genuß für
Mountainbiker ist diese Piste. Bereits in Tenom sollte man sich
aber für drei Tage mit Lebensmitteln eindecken, denn in Tomani
ist das Angebot sehr beschränkt und auf der 67 Kilometer langen
Piste zurück zur Küste kann man ebenfalls mit keiner sicheren
Versorgung rechnen. Oben
am Paß wachsen Baumfarne. Draußen über dem südchinesischen
Meer geht langsam die Sonne unter. Ich fahre noch ein Stück
hinunter, bevor ich es mir auf einem der Länge nach aufgeschnittenen
Baumstamm bequem mache.
Kurz nach Erreichen
der Küstenstraße passiere ich die Grenze zu Sarawak,
den zweiten malayischen Bundesstaates auf Borneo. Den ganzen Nachmittag
begleiten mich zwei junge Männer. Wir fahren ständig zusammen,
ohne viel miteinander zu reden. Ganz selbstverständlich legt
man den Weg gemeinsam zurück. Abends sitzen wir dann noch lange
mit dem halben Dorf zwischen Bananenstauden, bis ich irgendwann
in der munter plaudernden Gruppe einschlafe. Wer nach Brunei weiterreisen
will, der nimmt normalerweise die Fähre von Lawas aus. Brunei,
das ist ein kleines unabhängiges Sultanat, das von Sarawak
in zwei getrennte Distrikte geteilt wird. Kurz vor der Grenze endet
das Asphaltband am Trusan-River. Ein kleines Boot bringt mich zum
anderen Ufer. Nur 10 Kilometer Straße fehlen entlang der Küste
Borneos. Doch diese 10 Kilometer sind mit einem normalen PKW kaum
zu schaffen. Nur wenige Fahrzeuge nehmen die Landroute. Ich weiß
nicht, wann ich die Grenze passiert habe, jedenfalls fehlt jedes
Hinweisschild. Einige kleine Dörfer, wenig Verkehr und eine
für Malaysia ungewohnte Sauberkeit zeigen, daß ich in
Brunei bin. Genauso unbemerkt überschreite ich erneut die Grenze
nach Limbang, dem Zipfel Sarawaks, der Brunei teilt. Erst die Einreise
in den größeren Teil Bruneis wird im Paß vermerkt.
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Der
Kontrast zu Malaysia könnte nicht größer sein. Brunei
ist ein reiches Land. Ölvorkommen vor der Küste machen
eine Abholzung des Regenwakdes überflüssig. Geld gibt
es im Überfluss. Öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder
gibt es praktisch nicht. Jeder fährt Auto, und zwar dicke Limusinen
und protzige Geländewagen mit goldenem Rammschutz. Eingezäunte
Villen und prachtvolle Moscheen prägen das Bild jedes Dorfes.
Es ist Freitag Nachmittag. Im Bereich der Moschee ist jedes Dorf
hoffnungslos zugeparkt. Die Straßen lassen nur Platz für
zwei Autos und als Radler hat man offensichtlich absolut kein Recht.
In der Hauptstadt
Bandar ein bezahlbares Hotel zu finden ist ebenfalls aussichtslos.
Ich fahre daher weitere 30 Kilometer an den Strand von Muara. Zur
Übernachtung benötigt man eine Genehmigung, die man als
Tourist in der Regel aber nicht erhält. Ich geselle mich daher
zu einer Gruppe Studenten aus Brunei und tatsächlich kommt
nachts eine Polizeipatroullie zur Kontrolle. Draußen vor dem
traumhaften Sandstrand leuchten die ganze Nacht über die Fackeln
der Bohrinseln.
Breite Autobahnen
und prunkvolle Paläste und Moscheen mit goldenen Kuppeln kennzeichnen
Bandar. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Auf der anderen
Straßenseite taucht eine Gruppe Jogger auf. Seltsam! Hinterher
fährt ein großes Feuerwehrauto und allen voran...das
darf doch nicht wahr sein. Den kenne ich doch. Auf jedem Geldschein
lächelt er mich an. Freundlich winkt er herüber, als er
mich sieht und ruft mir ein paar aufmunternde Willkommensgrüße
zu. Ich bleibe nur stehen und staune. Der Sultan von Brunei beim
Joggen - mit seinem Gefolge.
So freundlich
mir auch die Bewohner Bruneis entgegentreten, im Verkehr hat man
nichts zu lachen. Immer wieder ergreife ich die Flucht von der hohen
Asphaltdecke, um eine Kollision zu vermeiden. Entgegenkommende überholende
Fahrzeuge halten mit Vollgas auf mich zu. Ich schwitze und fluche,
doch es gibt nur diese eine Küstenstraße. Als ich wieder
einmal von einem LKW in den Straßengraben gedrängt werde
und unmittelbar hinterher ein Tieflader mit einer weit über
den Straßenrand ragenden Garage folgt, muß ich erst
einmal tief durchatmen. Der hätte mich doch gnadenlos umgemäht!
An der
nächsten Tankstelle halte ich. Es ist unverantwortlich hier
weiterzuradeln. Der erste LKW, der weiter nach Sarawak fährt
nimmt mich dann auch gleich mit bis zur Grenze. Das hätte ich
mal geschafft.
Die letzten
Kilometer nach Miri sind dann auch nicht mehr so schlimm. Von hier
aus geht es mit einer kleinen Propellermaschine in den Mulu- Nationalpark.
Dort warten noch Trekkingtouren durch den Dschungel, eine mehrstündige
Höhlenpassage mit viel Kletterei und Engstellen, bei denen
man schon den Bauch einziehen muß auf uns. Auch eine Tour
zu den Pinnacles, den 50 Meter hohen Kalknadeln am Gunung Api unternehmen
wir und werden den Guides noch lange in Erinnerung bleiben, als
die Touristen, denen der Guide einfach nicht mehr hinterhergekommen
ist.
Jede Bewegung
im Park ist nur unter Aufsicht möglich. Überhaupt sind
die malayischen Nationalparks sehr streng organisiert, bieten dem
Touristen aber auch eine gute Infrastruktur und leider auch die
letzten intakten Regenwaldgebiete. Im Mulu-Park sollen jetzt auch
organisierte Mountainbiketouren angeboten werden. Wir
haben sicher viel erlebt, vor allem abseits der üblichen Touristenpfade
auf den Holzfällerpisten. Kopfjägern sind wir jedoch nicht
über den Weg gelaufen. Die Einheimischen sind aber fest davon
überzeugt, daß es noch welche gibt. Ob wir ihnen glauben
sollen?
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Letzte Aktualisierung: 20.03.01
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