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Gr�nland: West-Gr�nland mit dem Kajak
 
 
 
Markus Ziebell
 

Autor: Markus Ziebell, Fotos: Markus Ziebell
Diese Reise wurde von mir im Juli und August 2001 durchgeführt.

This article is also available in English. Please follow this link

 
 
 
 
West-Grönland mit dem Kajak

Mit dem Kajak 23 Tage alleine durch die eisige Welt der Eisberge in der Diskobucht.

 
 
Trotz einer Wassertemperatur von nur sechs Grad Celsius ist man nach dem paddeln ausreichend aufgeheitzt um zwischen den Eisbrocken ein kurzes Bad zu nehmen. Allerdings führen einen Fusskrämpfe schnell an das Ufer zurück.
 
 

Der Isfjord - Gegen 22:30 setzt die >Dash 7< der Skandinavien Airlines zum Landeanflug auf Ilulissat an. Anfang Juli haben wir hier ca. 300 Kilometer nördlich des Polarkreises eine herrliche Mitternachtssonne. So geniesse ich den ersten Blick auf den unter mir auftauchenden Isfjord. Der Kangerdluaqgletscher gehört zu den schnellsten Gletschern der nördlichen Hemisphäre und schiebt sich durchschnittlich 30 Meter pro Tag nach vorne. Dadurch bilden sich Unmengen von grösseren und kleineren Eisbergen, die den gesamten Fjord füllen und nach und nach in die Diskobucht hinaus treiben. Von dort wandern sie langsam mit der Meeresströmung Richtung Süden. Manche dieser Eisberge treiben bis zu 20 Jahre über den Ozean und erreichen dabei so südlich liegende Regionen wie New York. Auch der 1912 von der Titanic gerammte Eisberg kommt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dieser Bucht und hat mal als harmloser Schnee auf dem Inlandeis angefangen.

Noch am Flughafen werde ich von Silver, einem Italiener, der sich hier vor vielen Jahren niedergelassen und die Touristenagentur >Tourist Nature< betreibt, abgeholt und zum Campingplatz gebracht, der nur wenige Meter vom Isfjord entfernt etwas südlich von Ilulissat liegt. Noch bis nach Mitternacht geniesse ich diesen unbeschreiblichen Blick auf die mit Eisbergen übersäte Diskobucht.

 
 
  Im Isfjord stauen sich durch eine vorgelagerte Untiefe die Eisberge, bis sie ausreichend abgetaut sind um ihre lange Reise zu beginnen.
 
 
 
 

Den nächsten Tag verbringe ich damit, zusammen mit Silver meine genaue Reiseroute festzulegen, Verpflegung einzukaufen und die Stadt ein wenig zu erkunden. Mit gut 4000 Einwohnern ist Ilulissat die dritt grösste Stadt des Landes und lebt vom Fischfang und mehr als die meisten anderen Orte vom Tourismus. Doch obwohl hier die moderne Technik bereits überall Einzug gehalten hat, ist doch das traditionelle Leben der Inuit noch überall präsent. Am auffälligsten sind die auf jeder freien Fläche angeketteten Schlittenhunde. Da es dazwischen immer wieder einige wenige frei herumstreunende gibt, muss ich aufpassen mit meiner Verpflegung, die ich in wasserdichten Säcken direkt neben meinem Zelt lagere. Für den nächsten Tag habe ich mit Silver vereinbart, dass mich jemand mit dem Motorboot ins etwa 60 Kilometer nördlich gelegene Ata bringt. Dort befindet sich ein kleines Camp und einige Kajaks, von denen er mir eines überlassen will.

Gestrandet in der Mudderbugten - Am nächsten morgen herrscht dichter Nebel. Trotzdem packe ich früh meine Sachen zusammen und treffe mich mit Silver um acht Uhr zum Frühstücken in einem kleinen Cafe. Bei diesem Wetter ist natürlich nicht an eine Überfahrt zu denken. So haben wir etwas Zeit und er erzählt mir einiges über die Probleme hier mit dem Nebel. Zwar gehört die Diskobucht zu den sonnigsten und wärmsten Regionen Grönlands, aber wenn feuchte Luftmassen vom Meer heranziehen, bildet sich hier durch das viele Eis sehr schnell Nebel. Normalerweise hält sich dieser nur kurze Zeit, aber vor einigen Jahren hat sein Geschäft stark darunter gelitten, dass im Juli, der eigentlichen Hochsaison fast drei Wochen lang durchgängig Nebel war.

 
 
 
 
 
 

Glücklicherweise lichtet sich der Nebel bereits nach zwei Stunden, so dass ich zusammen mit Jens, einem schlanken und gross gewachsenen Inuit das kleine Boot belade mit dem wir dann gegen Mittag in See stechen. Inzwischen ist die Sicht wieder völlig klar und ich mache es mir zwischen meinen Packsäcken liegend gemütlich. Mit grosser Geschicklichkeit manövriert er im Slalom mit hoher Geschwindigkeit zwischen den Eisbergen entlang. Mehrmals tauchen vor uns Robben im Wasser auf verschwinden aber sofort wieder in der Tiefe. Nach einer halben Stunde erreichen wir nahezu offenes Wasser. Bei der hohen Geschwindigkeit schlägt das Boot auf jede Welle hart auf und jedesmal hebe ich und das Gepäck für kurze Zeit ab um sofort wieder hart zurückzufallen. Etwas krampfhaft versuche ich mich festzuhalten. Jens dagegen scheint dieses stete Springen eher zu geniessen. Nach kurzer Zeit verlangsamt Jens das Tempo wieder, allerdings nicht, weil ich mich dann wohler fühle, sondern weil der Motor unruhig läuft und dann ausgeht. Nach einigen Versuchen springt er wieder an. Doch schon nach wenigen hundert Metern streikt der Motor erneut. Wir schrauben die Zündkerzen zum Trocknen heraus, lassen den Motor durchdrehen, bauen alles wieder zusammen und starten erneut. Ohne Erfolg. Dieses Spiel wiederholen wir mehrfach. Irgendwann gelingt es uns dann den Motor wieder zum laufen zu bringen. Allerdings läuft er unrund und nimmt auch das Gas nicht richtig an. Im Schrittempo fahren wir langsam weiter. Noch zweimal geht uns der Motor aus, noch zweimal schrauben wir alles auseinander und es gelingt uns den Motor wieder in Gang zu bekommen. Wir fahren inzwischen in der Nähe des flachen Ufers entlang als uns der Motor erneut ausgeht. Wir müssen feststellen, dass sich der Motor nicht mehr drehen lässt. Vermutlich Kolbenfresser. Wir werfen den kleinen Anker aus und ziehen uns damit Stück für Stück die 200 Meter in Richtung Ufer. Über Funk versucht Jens die Station in Ata zu erreichen. Jedoch ohne Erfolg.

 
 
  Die alte verlassene Siedlung Ata dient heute als Basis für zahlreiche Outdooraktivitäten in der Region und für mich als Starpunkt meiner
Reise.
 
 
 
 

Jens deutet auf einen nur wenige Kilometer entfernten Bergrücken auf dem eine Antenne sichtbar ist. Dort müsste sich die Station befinden. Also machen wir uns zu Fuss auf den Weg. Nach einigen Minuten sehen wir in einiger Entfernung einen Fischer mit seinem Motorboot vorbeifahren. Wir schwenken mit unseren Jacken um auf uns aufmerksam zum machen und tatsächlich werden wir gesehen und der junge Mann kommt zu uns. Im Gespräch bekomme ich mit, dass wir uns vollständig verfahren haben. Die Station Ata liegt auf einer anderen Insel ungefähr 40 Kilometer östlich von uns. Er erklärt sich bereit unser Boot ein Stück bis zur Mudderbugt abzuschleppen wo es etwas geschützter liegt. Anschliessend bringt er uns noch bis zum Südende des Arve Prinsens Ejland wo wir über Funk einen Treffpunkt mit Silver ausgemacht haben, der sich mit einem grösseren Boot in der Nähe aufhielt. So erreichen wir nach 12 Stunden und einem ereignisreichen Tag gegen Mitternacht das kleine Camp Ata den Ausgangspunkt für meine Kajakreise.

Eqip Sermia - Voller Vorfreude bin ich am Morgen schon früh auf den Beinen und ordne am Strand meine Ausrüstung. Silver bietet mir alternativ zu einem Hazle Explorer (Single) noch einen Zweier von Prijon an, da er meint ich würde meine ganze Ausrüstung in dem schmalen Einer wohl nicht unter bekommen. Doch ausser dem etwas sperrigen Schlafsack, der in einem wasserdichten Sack auf dem Heck landet lässt sich doch alles in den verschliessbaren Luken unterbringen. Etwas besorgt ist er, da bisher noch nie jemand solange hier in der Gegend mit einem seiner Boote unterwegs gewesen ist. Schon gar nicht allein. So verständigen wir uns darauf, das ich mich telefonisch aus einer der Inuitsiedlungen zwischendurch melden soll. Als ich dann mein Cockpit eingerichtet habe mit GPS, Kompass, Notfunksender und Seefunkgerät ist er dann allerdings doch einigermassen überrascht über meine gute Ausrüstung und insgesamt wohl etwas beruhigt.

Nachdem ich das inzwischen gut 100 kg schwere Boot ins Wasser gewuchtet habe und in dem komfortablen Boot sitze kommt langsam dieses unbeschreibliche Gefühl von Freiheit und freudiger Erwartung in mir hoch, das ich oft am Anfang einer Reise habe. Das schlanke Boot liegt dank des hohen Gewichtes sehr stabil im Wasser und so geniesse ich vom ersten Augenblick die Sonne, die sich im glatten Wasser spiegelt.

 
 
 
Beim Abbruch des Eises von der Gletscherkante, zerbricht der grösste Teil zu kleinsten Schollen, durch die es sich zwar mühsam aber problemlos paddeln lässt.
 
 
 

Für meine erste Tagesetappe habe ich mir gleich 30 Kilometer bis zum Eqip Gletscher vorgenommen. Schon direkt nach dem Start begegne ich den ersten kleinen Eisbergen die mir in bizarren Formen entgegen treiben. Nach einigen Stunden erreiche ich die ersten Eisfelder. Zunächst nur einzeln verteilte Bruchstücke oder grössere Schollen verdichten sie sich doch nach und nach so weit, dass ich mit dem Boot einen Kanal frei schieben muss.

Immer wieder sehe ich offene Wasserflächen aber dazwischen auch immer wieder Bereiche mit Trümmereis. Auf einer grösseren Scholle lege ich an um mir einen Überblick zu verschaffen. Der weisse Koloss sieht zwar aus wie Schnee, seine Oberfläche stellt sich aber als so hart und rutschig heraus, das ich mich beim Aussteigen nur auf allen Vieren fortbewegen kann. Das Boot befestige ich an einer Eisschraube, die ich eigentlich für den Notfall zur Zeltbefestigung mitführe. Doch echte Gelassenheit kommt während dieser Pause nicht auf, denn selbst dieser Brocken von 20 Metern Durchmesser schwankt bedenklich, so dass ich schon nach wenigen Minuten meine Fahrt fortsetze. Schon vorher war mir aufgefallen, dass diese Eisberge und -Brocken ständig in Gefahr sind auseinanderzubrechen oder sich zu drehen. Im Gegensatz zu gefrorenem Meereis, das eine gleichmässige Dicke besitzt, bestehen diese Brocken aus völlig unregelmässig geformtem Eis, das nur zu etwa einem siebtel sichtbar ist. Sowohl über als auch unter Wasser taut das Eis langsam ab und so verschiebt sich der Schwerpunkt mit der Zeit, bis der Eisberg kippt. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist lässt sich leider aus meiner Erfahrung überhaupt nicht voraussagen.

 
 
 
 
Gut erkennbar ist, dass das Eis von einer Strömung, die unter dem Gletscher hervorkommt abgetrieben wird.
 
 
 

Nach etwa sieben Stunden Paddelzeit erreiche ich den Sandstrand östlich der Abbruchkante des Gletschers. Ursprünglich wollte ich in die geschützte Lagune fahren. Da mir jetzt bei ablaufendem Wasser aber starke Strömung entgegen kommt, ziehe ich das Boot auf den mit Eisbrocken übersäten Strand. Mein Zelt baue ich oberhalb der Felsküste zwischen niedrigen Sträuchern auf. Auch das Boot muss ich von nun an bei jedem Anlanden erst ausladen und dann bis in flutsichere Höhen tragen.

Am nächsten Tag erforsche ich die Bergkämme die sich direkt am Rand das Gletschers bis auf 600 Meter Höhe erheben. Von dort bietet sich ein atemberaubender Blick über den Gletscher, die Bucht und die sich in der Ferne abzeichnende Inselwelt.

 
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Letzte Aktualisierung: 19.03.02
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