|
|
|
|
|
M
e n u e |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
�ber alle Berge - Eine Bolivianische Zeitreise |
|
|
Wieviele
gute Freunde hat man? Ich kann von mir sagen, daß es nur sehr
wenige sind und mir José der liebste von ihnen ist. Unzählige
Abenteuer haben wir zusammen erlebt und auch schon einiges durchgemacht.
Wir umarmen uns nach Indianerart, beide mit Tränen in den Augen
und wünschen uns einen guten Weg. Dann dreht sich José
um und stürmt eiligen Schrittes, die Tiere vor sich hertreibend
über das Tal. Als drei kleine Punkte sehe ich ihn und die Maultiere
einen steilen Hang hinauflaufen, dann sind sie verschwunden. |
|
Pedro
ist müde und legt sich schlafen. |
|
|
|
Mutterseelenallein
und fernab jeder menschlichen Behausung finde ich es auf einmal sehr
verwegen, daß ich vorhabe, mich hier an einem festgelegten Datum
mit zwei weit entfernt lebenden Indios zu treffen. Worauf habe ich
mich da nur eingelassen? Erschüttert blicke ich auf mein umfangreiches
Gepäck, das kein Mensch alleine in einem Zug forttragen kann.
Was, wenn auf dem Kontinent des >maniana<, des alles auf morgen
oder niemals Verschiebens, niemand kommt? Dann habe ich ein großes
Problem! Ich zerstreue meine trüben Gedanken indem ich die Zelte
aufstelle, das Gepäck ordne und vor einsetzendem Regen schütze.
Kurz vor der Dämmerung erspähe ich in weiter Entfernung
die Umrisse einer Gestalt - Pedro Zonco. Es fehlen mir die Worte,
um meine Freude zu beschreiben, er ist es wirklich! >Uma waitanim
payasiniani - hol Wasser, laß uns etwas kochen.<, bittet
er mich sichtlich erschöpft auf Aymara, seiner Muttersprache.
So gut hat mir schon lange kein Abendessen mehr geschmeckt, ich bin
einfach glücklich, daß Pedro da ist. Alles andere ist mir
im Moment egal. Weil es regnet legen wir uns früh schlafen. |
|
|
|
Morgendämmerung
in Hacha Pasto
|
|
|
|
|
Ab
hier gibt es nur noch wegloses Gelände. Am Morgen geht es weiter
durch die Berghänge der Kordilleren.
|
|
|
Ich
weiß, es ist furchtbar kindisch, aber bevor ich endgültig
die Augen schließe leuchte ich noch einmal mit der Taschenlampe
zum schnarchenden Pedro hinüber, um mich zu vergewissern, daß
er tatsächlich da ist. Dann schlafe ich wie ein Stein.
Um sechs Uhr morgens, es ist noch finstere Nacht, trifft dann mit
Martin Kea ein zusätzlicher Träger ein, in der Morgendämmerung
steigen wir zu dritt über wegloses Gelände Stunde um Stunde
höher, mitten hinein ins Herz der Anden und erreichen über
die >Pforte<, ein ausgesetztes Felsband, welches sich durch
unpassierbar scheinende Felswände zieht, das Hochtal Hochakhota.
Dort schlagen wir unser Lager auf. Ein fürchterlicher Schneesturm
tobt sich draußen die ganze Nacht über aus. Blitze leuchten
grell auf, Donnerschläge erschüttern die Luft und wir werden
in unseren Schlafsäcken immer kleiner. Um das Gesicht nicht zu
verlieren, dürfen wir freilich vor den Kameraden unsere Furcht
nicht zeigen. |
|
Meine
beiden Helfer, Pedro (links) und Martin. |
|
|
|
In
der pfadlosen Wildniss orientieren wir uns nach unserem Gefühl.
Hier zählt der natürliche Instinkt mehr als Karte und Kompaß. |
|
|
|
Am
frühen Morgen leuchten die Sterne hell und klar vom Himmel, schneidende
Kälte verspricht einen Tag mit gutem Wetter. Wir haben 20 Zentimeter
Neuschnee. Martin verlässt uns hier, nur mit dem Nötigsten
beladen steigen Pedro und ich der Gletscherregion entgegen, weglos
steil bergauf und suchen einen Pfad, wo keiner mehr ist. Wir verlassen
uns dabei ganz auf unser Gespür und die Erfahrung als Pfadfinder. |
|
|
|
Mit
jedem Schritt wird die Luft dünner und wir gewinnen nach und
nach an Höhe. Die Täler haben wir inzwischen weit unter
uns gelassen.
|
|
|
Vielleicht
sind wir die letzten freien Menschen, frei Wege zu gehen, ohne anderen
Regeln zu folgen, als unseren eigenen. Die Täler haben wir
weit unter uns gelassen, tief drunten, in einer anderen Welt, erahnt
man unter einem brodelnden Wolkenmeer das tropische Tiefland. In
einer endlosen Weite umgibt uns die Stille der Zeit von Jahrtausenden.
Riesenhafte Wolkenknäuel lösen sich aus dem Wolkenmeer,
steigen rasch auf und kommen uns bedrohlich nahe.
|
|
Wetterverschlechterung:
bald wird uns der Nebel eingeholt haben, ohne das wir etwas dagegen
tun können. |
|
|
|
Schnell
holt uns der Nebel ein und verschluckt uns mit seinem gefrässigen
Maul, leise fallen Schneeflocken; dann tanzen bei einsetzendem Wind
dichte Schneewirbel wild um uns herum. Die Orientierung ist erschwert
und die Hände sind kalt. Es dauert keine zehn Minuten, bis
der Schnee auf den steilen Granitplatten liegenbleibt, über
die wir uns aufwärts mühen. Trotz der ungemütlichen
Bedingungen gelangen wir blad an die Grenze zum ewigen Eis, wo wir
unser leichtes Einmannzelt aufschlagen. Es klebt wie ein Schwalbennest
auf einem schmalen Felssims. |
|
Wir
holen den Benzinkocher aus dem Rucksack, wollen ihn anwerfen - Fehlanzeige,
die Düse ist verstopft, das passiert oft und läßt
sich leicht beheben. Jetzt stellt sich heraus, daß Pedro alle
acht Reinigungsnadeln in Martins Rucksack verstaut hat. Wie sollen
wir jetzt die winzige Düse sauber bekommen? Ich sage nichts und
Pedro blickt betreten zu Boden. Wenn ich hier oben einen Streit vom
Zaun breche, dann läuft der Kocher deshalb auch nicht. Wir sind
Opfer der Umstände, es gibt keinen Täter, den man dafür
in Stücke hauen kann: Da stehen wir, zwei winzige Funken Leben
im weiten Raum und wissen nicht weiter. Ohne Stärkung müßten
wir umdrehen. Nach Augenblicken bestürzter Ratlosigkeit fällt
mir auf, daß sich ein Drahtkabel meiner Gamaschen aufzulösen
beginnt. Auf einem Granitblock klopfe ich das Kabel mit Hilfe eines
Steins in seine Bestandteile zusammen, auf diese Weise erhalten wir
eine lange, dünne >Ersatznadel<. Damit können wir
die Düse reinigen, anschließend brennt der Kocher mit heißer,
blauer Flamme. Weil es immer noch schneit sehen wir aus wie Schneemänner,
die bloßen Hände sind von der Reparatur klamm und steif.
Nachdem Durst und Hunger gestillt sind verziehen wir uns ins Zelt,
um uns aufzuwärmen. Wir fragen uns, wie wir bei diesem Sauwetter
weitermachen sollen. Als die Abenddämmerung nicht mehr fern ist,
klart es jedoch ganz unerwartet auf, ein herrliches Abendrot straft
das schlechte Wetter Lügen. Die Stimmung ist plötzlich seltsam
weltentrückt, still und so bewegend wunderschön, daß
man einfach nur weinen möchte. Solche Augen-Blicke wiegen jede
Anstrengung und das miserable Wetter bei weitem auf, für so etwas
lohnt es sich, zu leben! |
|
|
|
Unser Zeltplatz
liegt, ausgesetzt wie ein Schwalbennest, zwischen Berg und Himmel. |
|
|
|
|
|
Letzte Aktualisierung: 18.01.06
|
|