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    R e i s e b e r i c h t-S e i t e  2
 
 
 
M e n u e
 
 
 
   
 
   
�ber alle Berge - Eine Bolivianische Zeitreise
 
 
 
  Wieviele gute Freunde hat man? Ich kann von mir sagen, daß es nur sehr wenige sind und mir José der liebste von ihnen ist. Unzählige Abenteuer haben wir zusammen erlebt und auch schon einiges durchgemacht. Wir umarmen uns nach Indianerart, beide mit Tränen in den Augen und wünschen uns einen guten Weg. Dann dreht sich José um und stürmt eiligen Schrittes, die Tiere vor sich hertreibend über das Tal. Als drei kleine Punkte sehe ich ihn und die Maultiere einen steilen Hang hinauflaufen, dann sind sie verschwunden.
 
 
 
Pedro ist müde und legt sich schlafen.
 
 
  Mutterseelenallein und fernab jeder menschlichen Behausung finde ich es auf einmal sehr verwegen, daß ich vorhabe, mich hier an einem festgelegten Datum mit zwei weit entfernt lebenden Indios zu treffen. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Erschüttert blicke ich auf mein umfangreiches Gepäck, das kein Mensch alleine in einem Zug forttragen kann. Was, wenn auf dem Kontinent des >maniana<, des alles auf morgen oder niemals Verschiebens, niemand kommt? Dann habe ich ein großes Problem! Ich zerstreue meine trüben Gedanken indem ich die Zelte aufstelle, das Gepäck ordne und vor einsetzendem Regen schütze. Kurz vor der Dämmerung erspähe ich in weiter Entfernung die Umrisse einer Gestalt - Pedro Zonco. Es fehlen mir die Worte, um meine Freude zu beschreiben, er ist es wirklich! >Uma waitanim payasiniani - hol Wasser, laß uns etwas kochen.<, bittet er mich sichtlich erschöpft auf Aymara, seiner Muttersprache. So gut hat mir schon lange kein Abendessen mehr geschmeckt, ich bin einfach glücklich, daß Pedro da ist. Alles andere ist mir im Moment egal. Weil es regnet legen wir uns früh schlafen.
 
 
  Morgendämmerung in Hacha Pasto
 
 
 
 
  Ab hier gibt es nur noch wegloses Gelände. Am Morgen geht es weiter durch die Berghänge der Kordilleren.
 
 
 
  Ich weiß, es ist furchtbar kindisch, aber bevor ich endgültig die Augen schließe leuchte ich noch einmal mit der Taschenlampe zum schnarchenden Pedro hinüber, um mich zu vergewissern, daß er tatsächlich da ist. Dann schlafe ich wie ein Stein.
Um sechs Uhr morgens, es ist noch finstere Nacht, trifft dann mit Martin Kea ein zusätzlicher Träger ein, in der Morgendämmerung steigen wir zu dritt über wegloses Gelände Stunde um Stunde höher, mitten hinein ins Herz der Anden und erreichen über die >Pforte<, ein ausgesetztes Felsband, welches sich durch unpassierbar scheinende Felswände zieht, das Hochtal Hochakhota. Dort schlagen wir unser Lager auf. Ein fürchterlicher Schneesturm tobt sich draußen die ganze Nacht über aus. Blitze leuchten grell auf, Donnerschläge erschüttern die Luft und wir werden in unseren Schlafsäcken immer kleiner. Um das Gesicht nicht zu verlieren, dürfen wir freilich vor den Kameraden unsere Furcht nicht zeigen.
 
 
 
Meine beiden Helfer, Pedro (links) und Martin.
 
 
 
 
In der pfadlosen Wildniss orientieren wir uns nach unserem Gefühl. Hier zählt der natürliche Instinkt mehr als Karte und Kompaß.
 
 
  Am frühen Morgen leuchten die Sterne hell und klar vom Himmel, schneidende Kälte verspricht einen Tag mit gutem Wetter. Wir haben 20 Zentimeter Neuschnee. Martin verlässt uns hier, nur mit dem Nötigsten beladen steigen Pedro und ich der Gletscherregion entgegen, weglos steil bergauf und suchen einen Pfad, wo keiner mehr ist. Wir verlassen uns dabei ganz auf unser Gespür und die Erfahrung als Pfadfinder.
 
 
  Mit jedem Schritt wird die Luft dünner und wir gewinnen nach und nach an Höhe. Die Täler haben wir inzwischen weit unter uns gelassen.
 
 
 
 

Vielleicht sind wir die letzten freien Menschen, frei Wege zu gehen, ohne anderen Regeln zu folgen, als unseren eigenen. Die Täler haben wir weit unter uns gelassen, tief drunten, in einer anderen Welt, erahnt man unter einem brodelnden Wolkenmeer das tropische Tiefland. In einer endlosen Weite umgibt uns die Stille der Zeit von Jahrtausenden. Riesenhafte Wolkenknäuel lösen sich aus dem Wolkenmeer, steigen rasch auf und kommen uns bedrohlich nahe.

 
 
 
Wetterverschlechterung: bald wird uns der Nebel eingeholt haben, ohne das wir etwas dagegen tun können.
 
 
 

Schnell holt uns der Nebel ein und verschluckt uns mit seinem gefrässigen Maul, leise fallen Schneeflocken; dann tanzen bei einsetzendem Wind dichte Schneewirbel wild um uns herum. Die Orientierung ist erschwert und die Hände sind kalt. Es dauert keine zehn Minuten, bis der Schnee auf den steilen Granitplatten liegenbleibt, über die wir uns aufwärts mühen. Trotz der ungemütlichen Bedingungen gelangen wir blad an die Grenze zum ewigen Eis, wo wir unser leichtes Einmannzelt aufschlagen. Es klebt wie ein Schwalbennest auf einem schmalen Felssims.

 
  Wir holen den Benzinkocher aus dem Rucksack, wollen ihn anwerfen - Fehlanzeige, die Düse ist verstopft, das passiert oft und läßt sich leicht beheben. Jetzt stellt sich heraus, daß Pedro alle acht Reinigungsnadeln in Martins Rucksack verstaut hat. Wie sollen wir jetzt die winzige Düse sauber bekommen? Ich sage nichts und Pedro blickt betreten zu Boden. Wenn ich hier oben einen Streit vom Zaun breche, dann läuft der Kocher deshalb auch nicht. Wir sind Opfer der Umstände, es gibt keinen Täter, den man dafür in Stücke hauen kann: Da stehen wir, zwei winzige Funken Leben im weiten Raum und wissen nicht weiter. Ohne Stärkung müßten wir umdrehen. Nach Augenblicken bestürzter Ratlosigkeit fällt mir auf, daß sich ein Drahtkabel meiner Gamaschen aufzulösen beginnt. Auf einem Granitblock klopfe ich das Kabel mit Hilfe eines Steins in seine Bestandteile zusammen, auf diese Weise erhalten wir eine lange, dünne >Ersatznadel<. Damit können wir die Düse reinigen, anschließend brennt der Kocher mit heißer, blauer Flamme. Weil es immer noch schneit sehen wir aus wie Schneemänner, die bloßen Hände sind von der Reparatur klamm und steif. Nachdem Durst und Hunger gestillt sind verziehen wir uns ins Zelt, um uns aufzuwärmen. Wir fragen uns, wie wir bei diesem Sauwetter weitermachen sollen. Als die Abenddämmerung nicht mehr fern ist, klart es jedoch ganz unerwartet auf, ein herrliches Abendrot straft das schlechte Wetter Lügen. Die Stimmung ist plötzlich seltsam weltentrückt, still und so bewegend wunderschön, daß man einfach nur weinen möchte. Solche Augen-Blicke wiegen jede Anstrengung und das miserable Wetter bei weitem auf, für so etwas lohnt es sich, zu leben!
 
 
 
 
Unser Zeltplatz liegt, ausgesetzt wie ein Schwalbennest, zwischen Berg und Himmel.
 
 
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Letzte Aktualisierung: 18.01.06
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