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    R e i s e b e r i c h t-S e i t e  6
 
 
 
M e n u e
 
 
 
   
 
   
�ber alle Berge - Eine Bolivianische Zeitreise
 
 
 
  Verloren in einem Meer aus Gras.
 
 
 
  Rasch abwärts steigend geraten wir in dichtes Buschland, mit jedem Schritt hinunter wird es wärmer. Wir setzen uns zu einer kleinen Rast, die markanten Gesichter meiner bronzefarbenen, mandeläugigen Begleiter kenne ich schon, ich muß mir jedoch noch die Namen merken: Pedro Zonco, Juan Bautista, Paolino Guispe. Juan-Carlos Kea und Braulio Segundino. Jeder schiebt sich eine Bola Cocablätter zwischen die Backen, dann stehen wir auf und verfallen in jenen berüchtigten Indianertrab, der Kilometer um Kilometer frißt, dem ein Außenstehender jedoch nicht lange folgen kann. Aufsteigend gewinnen wir erneut Höhe, dann durchqueren wir in ständigem auf und ab endloses Grasland. Es beginnt zu regnen, das mannshohe Gras wird naß und wenn wir daran entlangstreifen fangen wir das Wasser mit unserer Kleidung auf. Wir treffen auf Spuren von Schwarzbären, die es hier, wo der Mensch nur noch selten hinkommt, in großer Zahl gibt. Vorsichtig sichern die Lamas jetzt nach allen Seiten, ansonsten folgen sie jedoch brav unseren Kommandos. Der Hang, den wir queren, endet tief unten im Regenwald. Wir stecken in dichtem Nebel und sehen gar nichts, können aber deutlich von den Tropen aufsteigende laue Lüfte spüren, die sich mit von oben kommenden kühlen Bergwinden mischen. Gegen Ende des Tages erreichen wir einen kleinen Bach, den wir für unser Lager auswählen. An der Wasserstelle ebnen wir im hohen Gras mit Schaufel und Pickel einen Platz für die Zelte, den wir etwas protzig >Marktplatz< nennen. Trotz der Höhe von etwa 3.900 Metern über dem Meer ist es hier bereits bedeutend wärmer, als im 400 Meter tiefer gelegenen Cocoyo, auf dessen Klima die kalten Anden großen Einfluß haben. Beim Abendessen prasselt ein heftiger Regenschauer auf uns herunter, der uns in die Zelte treibt. Wir legen uns früh schlafen, alles ist feucht. Der Regen dauert die ganze Nacht über an.
 
 
 
 
Unser neues Basislager im Grasland. Bevor wir es beziehen können, müssen wir jedoch erst einmal einen ebenen Platz herrichten.
 
 
  Unser Basislager steht. Zu diesem Anlass heißen wir - Pedro, Huan, Braulio, Juan Carlos und Sylvio - die bolivianische Nationalflagge.
 
 
 
 
 
 
Dieses Lama hat gerade wieder Bedenken wegen der Schwarzbären. Am liebsten würde es zu uns ins Zelt kommen. In diesen Augenblicken sind die Lamas handzahm und benehmen sich auffällig besser als sie das sonst tun.
 
 
  Morgens rufen sich irgendwo weit drunten Bären, ein Papagei ist zu hören. Alles ist feucht. Es hat aufgehört zu regnen, der Himmel ist zwar bedeckt, wir hoffen aber, daß es aufklart. Unsere Lamas grasen ganz dicht bei den Zelten, sie spüren, daß Raubtiere umgehen und fühlen sich nah beim Menschen sicherer. Wir brechen früh in Richtung einer Ruine auf, die vom Lager aus bereits zu sehen ist, sie heißt bei den Aymara Guinapi. Da niemand von uns den Weg kennt verlieren wir viel Zeit mit Suchen. Über Fels und steiles Grasgelände, fast schon Kletterei, muß vorsichtig abgestiegen werden. Wir gehen ohne Seilsicherung und passen auf wo wir hintreten, denn ein Absturz in diesem exponierten Gelände wäre tödlich. 2.000 Meter tiefer drunten brüllt ein Puma, seine Stimme klingt dumpf und eindringlich herauf.
 
  Zwischen Basislager und Guinapi: wir suchen uns einen Weg, wo schon lange keiner mehr ist.
 
 
 
  Nach zwei Stunden erreichen wir die Ruine, die einst in etwa 4.000 Meter Höhe auf einem Doppelgipfel hoch über den Tropentälern erbaut wurde. Wir inspizieren die ganze Festung, um einen Überblick zu bekommen, haben wir doch vor, so viel altes Mauerwerk mit Schaufel und Pickel freizulegen wie wir können. Irgendwo müssen wir anfangen zu graben, bei der Größe der Anlage möchte man am liebsten kleinlaut zusammenpacken. Ich entschließe mich für eine handvoll Wohnhäuser, von denen wir uns systematisch zum Stadtkern, der äusseren Verteidigungsmauer, und dem Weg zum Haupttor vorarbeiten wollen. Unsere Pickel sausen auf Grassoden nieder, weggeräumter Dreck, Steine und Grasbüschel fliegen über die Böschung. Die Motivation der Truppe ist hervorragend, wir arbeiten wie die Besessenen und kommen schneller voran als ich dachte. Die Aussicht ist nach allen Seiten hin gewaltig, tiefe Tropentäler und verschneite Andenberge umgeben die Ruine wie ein aufgeklapptes Buch. Guimapi wurde an einem strategisch optimalen Punkt erbaut, der leicht zu verteidigen war. Die Festung ist rundum von leicht einzusehenden, steil abfallenden Hängen umgeben. Wir finden keine Quelle, aber Hinweise darauf, daß die Bewohner das Wasser der Regenzeit in Gräben aufgefangen und zu Zisternen geleitet haben. Noch nie hat mich eine Erstbegehung in den Anden so tief bewegt, wie der Fund der ersten Tonscherbe, die ich aus der Erde wühle. Unzählige Tassen, Teller, dickbauchige Flaschen aus Ton, auch fein gearbeiteter Tonschmuck kommen ans Tageslicht. Ein Hauch von Vergangenheit weht mich an. Nachmittags schließt sich die Wolkendecke, es beginnt zu regnen. Durch die Funde beflügelt hören wir nicht auf zu graben. Die Hände, die Kleidung, der Hut - alles, selbst die Unterhose starrt vor Dreck. Aber das ist uns egal, die gute Zusammenarbeit, schneller Geländegewinn und weitere sensationelle Funde lassen uns arbeiten wie Maschinen. Braulio entdeckt eine granitene Mörserschale mit Stößel, wenig später grabe ich eine tennisballgroße runde Kugel auf Granit aus. Sie diente als tödliche Steinschleudermunition für Scharfschützen. Um und um drehe ich die Kugel in meinen Händen, ich finde, daß sie viel zu schade ist, um sie jemand an den Schädel zu knallen. Nachmittags um fünf Uhr machen wir uns auf den Rückweg ins Basislager.
 
 
 
 
In der Ruine Guinapi legen Pedro und Juan Carlos eine Mauer frei.
 
 
  Einer der von uns freigelegten Eingänge, die in die Ruine Guinapi führen.
 
 
 
 
  Seltsam anmutend ist dieser Schädel, den der Autor außerhalb der Ruine in einer Höhle gefunden hat.  
 
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Letzte Aktualisierung: 18.01.06
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