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Bolivien - Aufbruch ins Abenteuer |
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Vierter
Tag
Am frühen
Morgen sind wir bereit zur Abreise, aber unser Begleiter ist noch
nicht fertig. Deshalb kommen wir erst später weg, was nicht
weiter schlimm ist. Zu Beginn trotten wir uns gemächlich warm,
das ist besser, als sofort loszuspurten und später kein Tempo
mehr zulegen zu können. >>Zu welcher
Provinz gehört Mojos?<< will ich
von Marciano, unserem Begleiter wissen. Er versteht den Begriff
>>Provinz<<
nicht und bleibt die Antwort einfach schuldig. Nach einer Weile
sagt er >>Provinz Pelechuco<<
- was nicht sein kann. Naja, es ist ja auch egal, wichtig ist, dass
er sich im heimischen Urwald besser auskennt als wir. Es fliegen
noch ein paar Sätze hin und her, deren Bedeutung schnell austrocknet,
bis sie zu willkürlichen Wort- und Klangfetzen werden, sobald
sich das Tempo zu einem leichten Trab steigert. Die Bäume sind
mit Dunst verhangen. Es beginnt zu regnen. Der Weg wird etwas rutschig,
aber er läuft sich weiterhin gut. Nach einer Stunde oder zwei
versiegt der warme Regen, Dampf steigt vom Boden auf, wird von Sonnenstrahlen
in dicke Scheiben geschnitten.Eine unbekannte Macht lässt in
dieser rauchenden Buschwelt vom Uranfang der Dinge all ihre Lebensentwürfe
krabbeln und wimmeln auf einem Boden der gärt wie der Schaum
von Sumpf und Morast. Mücken sägen geräuschvoll an
der stillen Luft herum. Ein kaum merkliches Zittern geht durch Blätter
und Pflanzen: Die große Hitze der zweiten Tageshälfte
naht. Wir erreichen einen großen Fluss, der in der Regenzeit
den winzigen Pfad weggerissen hat. Wir müssen uns mit der Machete
einen gangbaren Pfad messern. Das Dach aus Blättern riesiger
Urwaldbäume schlägt die Sonne wie mit Speeren zurück.
>>Es kommt nur alle drei bis vier Monate
jemand hier entlang<< erklärt mir
Marciano als ob er sich für den schlechten Zustand des Weges
entschuldigen müsste. Das ist der näheste Weg in die Zivilisation,
auf die in Mojos niemand sehr neugierig zu sein scheint. Die niedrig
hängenden Zweige der niedrig hängenden Zweige schnellen
auf unsere Oberkörper zurück wie auf Resonanzböden.
Aber selbst dieses dumpfe Peitschen zersetzt sich in der Hitze.
Welche menschliche Logik, welcher Wille ergibt in diesem grünen
Weltall noch einen Sinn? Die Orientierung wird sehr schwierig und
wir irren uns mehrere Male in der Richtung, was einige Umwege bedeutet.
Sobald man stehen bleibt bedecken lästige Schweißbienen
jede nackte Stelle des Körpers. Seltsame Laute aus dem innersten
Inneren des Waldes dringen an das Ohr. Ich höre hinter mir
einen Schrei, drehe mich erschrocken um: Jose hängt halb umgerissen
in einem Dornengestrüpp, welches ihn wie mit Händen festhält.
Ich befreie ihn lachend und wir ziehen weiter. Mir fallen unzählige
monströse Baue von roten Blattschneiderameisen auf, von denen
sternförmig breite Ameisen Highways in den Wald laufen. Am
späten Nachmittag erreichen wir einen breiten und ebenen Sandstrand
am Ufer des Flusses Quiara. Im Rücken der Wald, der Strand
beschert uns einen freien Blick auf den Fluss, auf der gegenüberliegenden
Seite beginnt direkt hinter dem Wasser erneut der geheimnisvolle,
undurchdringliche Wald in smaragdenem grün, dicht wie eine
Mauer und so hoch wie ein zehn-stöckiges Haus. Ein romantisch
schöner Zeltplatz. Ich frage unseren jungen Führer, der
heute klaglos einen sehr guten Job gemacht hat, ob dieser Ort ameisenfrei
ist, er bejaht lächelnd. Ich bin beruhigt. Vielleicht bin ich
manchmal zu misstrauisch, aber ich habe halt auch schon einiges
erlebt. Für heute bin ich jedenfalls zu müde, um einen
Kontrollgang zu machen. Wir entzünden ein Feuer und bereiten
uns eine kalorienreiche Mahlzeit aus Marcianos Vorräten zu
während die Nacht hereinbricht. Nachdem wir satt sind machen
wir es uns im Zelt gemütlich. Marciano legt sich unter das
kleine Vordach am Eingang. Es ist schon Wahnsinn, wie viele Leute
jetzt in dem eigentlich für einen Mann gedachten Zelt liegen!
Wir schlafen in Unterhosen und mit freiem Oberkörper, denn
es ist auch nachts noch warm. >>Meinst
Du, dass wir wirklich weit genug weg vom Wald und damit in Sicherheit
vor den Ameisen sind?<< frage ich Jose.
>>Willst Du jetzt noch mal das Lager
verschieben? Marciano hat den Platz doch für gut befunden!
Geh, lass mich schlafen, es passiert nichts<<
antwortet Jose. Zwei Minuten später schnarcht er schon. Eigentlich
wollte ich nur seine Bestätigung hören, um mein Gewissen
wegen des nicht gemachten Kontrollganges zu beruhigen. Nach dem
anstrengenden Tag schlafe ich ebenfalls in minutenschnelle ein.
Wie lange Zeit vergangen ist kann ich nicht sagen, jedenfalls reißt
mich ein markerschütternder Schrei aus tiefem Schlaf. Es ist
Jose, der da so brüllt. >>Was ist
denn los mit Dir?<< frage ich erschrocken,
schalte die Taschenlampe ein und leuchte Jose damit ins Gesicht.
Er hat eine Blattschneiderameise an der Unterlippe hängen,
reißt den Leib ab ohne dass die furchterregenden Kiefer des
zwei Zentimeter langen Monsters loslassen. Der Kopf hängt noch
an der blutenden Lippe. >>Das brennt
wie Feuer, ich dachte im ersten Schreck, eine Schlange hätte
mich gebissen<< lamentiert Jose. Ich
leuchte im Zelt herum, sehe eine Menge Ameisen und frage schlaftrunken
mehr mich selbst als Jose >>wie sind
denn die hier hereingekommen?<<. Joses
Hand klatscht auf seinen nackten linken Oberschenkel - >>Drecksviecher<<
schreit er böse, wieder hat ihn eine Ameise gebissen. Ich entdecke
es zuerst: Ein kreisrundes Loch im Zeltboden, durch das sich ein
Strom von Ameisen in das Zeltinnere ergießt. Mit ihren starken
Kiefern machen sich die Tiere daran, unser Zelt in handliche Portionen
zu zerlegen, um es in Einzelteilen in den Wald transportieren zu
können. Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht ist enorm,
man kann zusehen, wie die Löcher immer mehr werden. Ich schiebe
meinen Anorak weg, auf dem ich soeben noch schlief, darunter wimmeln
hunderte von gefräßigen Quälgeistern. Es ist entsetzlich.
Jetzt heißt es, Ruhe bewahren aber dennoch schnell handeln,
um uns und unsere Ausrüstung schnellstmöglich in Sicherheit
zu bringen. >>Klack, klack, klack<<
nagen Kiefer geräuschvoll an unserer Behausung, als wäre
es eine Torte. >>Raus mit allen Sachen,
Zelt abbauen, mach schnell<< rufe ich,
während Jose bereits den Reißverschluss des Zelteinganges
aufreißt und über Marciano hinweg ins Freie stürzt.
Marciano begreift schnell und ohne große Erklärungen,
er packt bereits zusammen, seine Jacke, auf der er schlief ist mit
Ameisen übersät. >>Nehmt mir
unsere Sachen ab, ich reiche sie euch hinaus<<
raune ich den beiden zu. Eilig räumen wir gemeinsam das Zelt
leer, dann komme auch ich ins Freie und wir schütteln zu dritt
aus Leibeskräften die Ameisen vom Zelt ab. Die Biester, denen
es trotzdem gelingt, sich mit den Kiefern festzuhalten werden zwischen
Daumen und Zeigefinger zerdrückt. Marciano zerschneidet eine
handvoll Kochbananen und legt sie auf den Waldboden, um die Ameisen
von uns abzulenken. Jeder packt irgendwelche Teile unserer Habseligkeiten
und wir flüchten. Es ist nicht nötig sehr weit umzuziehen,
nur etwas weiter den Strand hinein und weg vom unmittelbaren Waldrand.
Wir haben einen Fehler gemacht, der mir ein zweites mal nicht mehr
passieren wird: Wir zelteten zwar auf dem Strand, aber zu nahe an
den Bäumen. Da ich Marciano's Spürsinn blind vertraute
und weil ich schon ziemlich müde war, verzichtete ich auf eine
nächtliche Kontrolle unserer Umgebung. Ganz in der Nähe
unseres Zeltes ging, von uns zunächst unbemerkt, eine breite
Ameisenstrasse durch. Weil der >>Ameisenverkehr<<
erst nach Einbruch der Dunkelheit einsetzt und tagsüber nichts
von diesen Tieren zu bemerken ist haben wir allesamt die Gefahr
verkannt, wobei natürlich Marciano, den wir ja extra als unseren
Führer engagierten, damit uns so etwas nicht passiert, das
hätte erkennen und vermeiden müssen. Diese Viecher dulden
nichts und niemanden in ihrer Nähe, sie räumen alles aus
dem Weg, was ihnen zu nahe kommt. Es war im Nachhinein ganz logisch,
dass die roten Teufel, die man in der Urwaldsprache auch >>Gebisse<<
nennt, uns angriffen. Mit einem großen Raubtier wird man schon
irgendwie fertig - bei >>Gebissen<<
hilft nur die Flucht, gegen sie ist der Mensch völlig machtlos.
Wir schütteln die letzten noch übrigen Quälgeister
aus Kleidern und Zelt, dann machen wir eine Bestandsaufnahme: Der
Zeltboden ist durchlöchert, jedoch das viel wichtigere Außenzelt
unbeschädigt, wenn die Reparatur später auch einen Tag
Arbeit kosten wird so ist der Schaden doch relativ gering und es
wäre noch viel schlimmer gekommen, wenn Jose nicht so schnell
aufgewacht wäre. Jose's Rucksack weist etwa 30 Löcher
mit Durchmessern von maximal drei Zentimeter auf, seine Trainingshose
und die Windjacke haben auch was abgekriegt; er selbst ist durch
zwei rot geschwollene Bisse leicht verletzt; Marcianos Plastikplane,
die ihm als Biwakunterlage diente, ist völlig durchlöchert
und unbrauchbar geworden. Warum die roten Teufel ausgerechnet alles,
was aus Kunststoff ist am liebsten fressen, kann ich mir nicht erklären,
aber genau das schmeckt ihnen. Ein Großteil der lädierten
Ausrüstung lässt sich wieder flicken, neuer ist natürlich
nichts geworden. Jose's Frau Fabiana, die eine sehr gute Schneiderin
ist, wird nach unserer Rückkehr eine Menge Arbeit bekommen,
das ist sicher! Aus dem Schlaf geschreckt blinzeln wir müde
in der Dunkelheit herum. Naja, was solls, was passiert ist ist passiert
und lässt sich nun einmal nicht mehr rückgängig machen.
Das Beste ist, wir bauen das Zelt wieder auf und legen uns erneut
schlafen. Gedacht, gesagt, getan. Gerade komme ich im Reich der
Träume an, da schreckt mich ein Schrei direkt an meinem rechten
Ohr auf: >>Ameisenalarm!<<.
Sofort fahre ich hoch, bin hellwach und leuchte dem blinzelnden
Jose ins Gesicht, auch Marciano ist schon wieder weit diesseits
tiefster Träume. Falscher Alarm, Jose hatte einen Alptraum
- Marciano's und meine Flüche wegen der erneuten Störung
sind nicht druckreif. Den Rest der Nacht schlafen wir wie Steine.
Bis zur Morgendämmerung.
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Fünfter
Tag
Um halb sechs
morgens ist das Lager abgebaut, gegessen haben wir auch schon. Jose
trauert laut um seine schöne Windjacke und den Rucksack, aber
ansonsten sind die Schreckgespenster der Nacht fast schon wieder
vergessen. Bei Tageslicht betrachtet ist der durch die Ameisen angerichtete
Schaden geringer als befürchtet. Trotzdem wollen wir schleunigst
weg und ziehen los. Geraume Zeit laufen wir über ein langgezogenes,
mit riesigen Urwaldbäumen bewachsenes Plateau über dem
Fluss. Wir finden einen Flecken mit Orangenbäumchen. Das bedeutet,
dass hier irgendwann in der Vergangenheit menschliche Wesen gelebt
haben müssen, denn diese Pflanzen kommen im Wald nicht wild
vor. Häuserruinen entdecken wir allerdings keine, die wird
sich der Urwald mit seinen gefräßigen Polypenarmen längst
wieder einverleibt haben indem er jede Spur menschlichen Schaffens
überwucherte. Während eines kräftezehrenden Aufstiegs,
der uns hoch über den Fluss führt entdecken wir einen
>>Arbol de Pan<<,
einen Brotbaum, der Früchte trägt. Mit der Machete basteln
wir uns lange Stangen mit Astgabeln an einem Ende, die als Widerhaken
dienen. Mit ihrer Hilfe holen wir die langen schwarzen Fruchtschoten
herunter, öffnen die harte Schale mit der Machete und essen
uns schmatzend am wie frischer Brotteig schmeckenden Mark satt,
in welches die harten, ungenießbaren Samen gebettet sind.
Ein wahrer Festschmaus. Etwa 500 Meter über dem Fluss führt
der Weg in steilen Serpentinen wieder ganz hinab zu einem ausgedehnten
Schilfgürtel am Ufer. Wir müssen uns mit der Machete einen
Weg durch das bis zu sechs Meter hohe und dichte Schilf bahnen.
Dabei überraschen wir ein stattliches Zebu Rind beim Fressen
- oder das Rindvieh überrascht uns. Geräuschvoll durchs
Schilf rumpelnd nimmt der Fleischberg Reißaus. Das Haustier
muss aus dem Dorf Tuichi kommen, es kann also nicht mehr allzu weit
bis dorthin sein. Das Zebu stammt ursprünglich aus Indien,
hat sich aber in allen Tropengebieten der Welt hervorragend bewährt
und wurde deshalb auch nach Bolivien eingeführt. Sie tragen
einen seltsamen Fetthöcker auf dem Rücken und können
sehr aggressiv werden. Es dauert doch noch weitere zwei Stunden
bis wir Tuichi erreichen, welches uns sowohl von Marciano als auch
von Geronimo aus Calestia als kleine Stadt mit Verkehrsanbindung
beschrieben wurde. Wir kommen stattdessen in ein winziges Dorf ohne
Straße. Um alles genau auszukundschaften sind wir schließlich
hier - wäre immer alles genau so wie beschrieben, dann könnten
wir uns solche Touren wie diese ja getrost ersparen. Mein Leben
wäre jedoch ohne solche Abenteuer um vieles ärmer. Die
Leute in Tuichi sind Kambas, so wird in Bolivien der Menschenschlag
genannt, durch dessen Adern eine Mischung aus Spanier- und Indioblut
fließt. Die Menschen in Tuichi sind klein von Wuchs, ziemlich
hellhäutig und kräftig. Irgendwie meine ich bei Kambas
immer, dass ich den einen oder anderen schon mal irgendwo auf der
Welt gesehen hätte, was natürlich Einbildung ist. Hier
im Outback Boliviens werden Rassenunterschiede nicht so wichtig
genommen wie in der Stadt, da stellt sich die Herkunftsfrage nicht,
weil man wichtigeres zu tun hat. Die Einwohner von Tuichi sind sehr
freundlich und auch offensichtlich an unserem woher und wohin extrem
interessiert. Der Bürgermeisters führt uns in seine Hütte
und zeigt uns dort sichtlich stolz eine per Lastwagenbatterie betriebene
Funkstation, mittels der täglich zu fixen Zeiten La Paz und
die Provinzhauptstadt Apolo angefunkt werden. Marciano, Jose und
ich bekommen ein reichhaltiges Essen aufgetischt, über das
wir uns mit Heißhunger hermachen. Danach gönnen wir uns
eine erfrischende kalte Dusche und nutzen die gute Gelegenheit,
um unsere Kleider zu waschen, vor allem die Socken haben es sehr
nötig. Während die Wäsche trocknet sitzen wir in
Unterhosen im Schatten und warten. Bereits nach 20 Minuten ist bei
der Hitze alles trocken und wir ziehen uns wieder an. Ich notiere
mir die Frequenz und die Empfangszeiten des Funkgerätes, das
kann irgendwann einmal extrem hilfreich sein. Es kommt dann auch
prompt eine Meldung über Funk herein, dass in der Nacht ein
Jeepkonvoi von der nächstgelegenen Schlaglochpiste beim Dorf
Pata nach Apolo abgeht. In zwei lockeren Gehstunden können
wir die Strasse erreichen und wenn wir wollen reserviert man uns
zwei Sitzplätze. Von Apolo ist es zwar noch weit nach La Paz,
aber es verkehren regelmäßig und mehrmals täglich
Busse in die andine Hauptstadt. Auf meiner Karte ist sogar ein kleiner
Flughafen in Apolo eingezeichnet, doch das ist eines der vielen
bolivianischen Märchen, auf die man sich ohne eingehende Prüfung
nicht verlassen darf: Seit 15 Jahren wachsen dort, wo früher
die Landebahn gewesen sein muss, Gestrüpp und Niederwald. Seitdem
es Strassen gibt hat der billigere Bus das Flugzeug als Transportmittel
verdrängt. Manuel und Celso, zwei Kambas aus Tuichi, machen
uns das verlockende Angebot, Jose und mich in die tierreichen Gebiete
den Rio Tuichi flussabwärts zu begleiten, durch Zufall stehen
einige Pferde direkt am Dorfeingang, bräuchten also für
unsere Weiterreise nicht umständlich und zeitaufwendig von
einer weit entfernten Weide geholt zu werden. Ohne lange hin und
her zu überlegen satteln wir drei Pferde, bezahlen Marciano
und verabschieden uns herzlich von ihm. Zur selben Stunde sind wir
bereits wieder unterwegs. Ein Nomadenleben auf Zeit. In der Nähe
des Rio Tuichi reiten wir auf einem Weg mit hohem Bambusgebüsch
zu beiden Seiten dahin. Nichts kann zierlicher sein als diese baumartige
Grasart. Form und Stellung der Blätter geben dem in der Sonne
silbrig glänzenden Bambusgras ein Aussehen von Leichtigkeit,
das mit dem hohen Wuchs angenehm kontrastiert. Beim leisesten Windhauch
schwingt der Bambus hin und her als wogten Wellen in einem Meer.
Es ist heiß und wir schwitzen selbst im Schatten des Bambus.
Unsere Pferde sind kräftig gebaut aber von gutmütiger
Natur. Offensichtlich kennen sie den Weg und laufen fast ohne unser
Zutun in die richtige Richtung. Wenn auch unser ungezwungener Trott
gemütlich aussieht gewinnen wir doch rasch an Gelände.
Verständlicherweise sind die Beine nach fünf harten Marschtagen
schon schwer wie Blei, trotzdem bereitet es Jose und mir große
Freude so leicht weiterzukommen. Der Bambus weicht einem Waldgürtel,
wo wir hunderte von Vogelnestern in Gestalt von Flaschen in den
Bäumen hängen sehen. Es sind Werke eines drosselartigen
Vogels, dessen Gesang sich mit dem heiseren Geschrei von Papageien
und Aras mischt. Die lebhaft gefärbten Aras fliegen paarweise,
während die kleineren grünen Papageien in krächzenden
Schwärmen zu mehreren hundert Stück umherfliegen. Der
Weg kommt aus dem Wald heraus und wir gelangen in offenes und ausnehmend
feuchtes Gelände mit hohem Gras. Zweieinhalb bis drei Meter
hohe saftige Gewächse mit großen, herzförmigen Blättern
stehen dicht beisammen und bilden kleine Wälder im Gras. Ganz
vereinzelt weiden Zebus aus Tuichi auf der weiten, baumlosen Fläche.
Wir verlassen den Weg, um in dem Feuchtgebiet nach Anacondas zu
suchen. Dabei schrecken wir zwei Nandus, große, straußenartige
Laufvögel auf, die in rasend schnellem Lauf und wilde Haken
schlagend vor uns flüchten. Manuel findet mit unglaublichem
Spürsinn das Nest, in dem zwei gigantische Eier liegen, ein
jedes davon so groß wie etwa 20 Hühnereier. Zwar kann
ich den Fluss nicht sehen, aber sein Ufer muss ganz in der Nähe
sein. Die Pferde schrecken zwei Rehe auf, die in weiten Sprüngen
flüchten. |
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Letzte Aktualisierung: 18.03.05
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