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Ost-Gr�nland - Im festen Griff des Packeises
 
 
 
Markus Ziebell
 

Autor: Markus Ziebell, Fotos: Markus Ziebell
Die beschriebene Tour wurde im Juli/August 2007 durchgeführt.

This article is also available in English. Please follow this link

 
 
 
 
Im festen Griff des Packeises

Reisebericht einer vierwöchigen Solo-Kajaktour durch den Scoresbysund im Osten Grönlands

 
 
Mit einer Länge von 314 Kilometern ist der Scoresbysund der größte Fjord der Welt. 600 Kilometer habe ich mir zur Umrundung des Milne-Landes vorgenommen.
 
  Als ich am frühen Vormittag des 25ten Juli nach über 24-stündiger Anreise erwartungsvoll am Heliport von Ittoqortormiut abgesetzt werde, liegt bereits eine gut neunmonatige Vorbereitungsphase hinter mir. Da alle meine Versuche, geeignete Mitfahrer zu finden, gescheitert sind, mischt sich unter die Vorfreude auch eine gewisse Spannung, ob ich den Herausforderungen auch wirklich gewachsen bin. Aber ich habe die letzten Monate gut trainiert und den festen Willen, hier zu bestehen.
 
 
 
Vor Scoresbysund, der zweitgrößten Stadt Ostgrönlands, mit seinen 500 Einwohnern, liegt noch ein dichter Eisgürtel. Der Ostwind drückt vom Atlantik häufig Eis in den Fjord und blockiert damit die Schifffahrt.
.
 
 
  Schon beim Landeanflug ist zu sehen, daß die gesamte Bucht von dichtem Treibeis bedeckt ist. Bereits vor meiner Abreise in Deutschland hatte mir Karina vom hier ansässigen >NANU-Travel< gemailt, daß zur Zeit schwierige Eisverhältnisse herrschen. Vor Ort gibt man mir aber Hoffnung, daß sich das hier schnell ändern kann. Am nächsten Morgen hat sich das Eis wirklich etwas geöffnet. So packe ich früh
meine Ausrüstung zusammen, nehme die siebenschüssige Pumpgun gegen die Eisbären entgegen und hole mein Boot von der Hafenverwaltung ab. Mein Seekajak ist bereits sechs Wochen vor mir auf die Reise gegangen. Mittels Frachtschiff der Royal Arctic Line ist es von Aalborg aus gestartet. Dann aber endlich habe ich alles zusammen und starte die erste Etappe durch das Gewirr der Schollen. Durch die niedrige Sitzposition kann ich kaum erkennen, welche Kanäle weiterführen und welche nach wenigen Metern in einer Sackgasse enden. Immer wieder nutze ich deshalb die Möglichkeit zum Ausstieg auf die Schollen und lerne so das erste Mal Packeis mit seinen deutlichen Verwerfungen kennen. Bereits nach wenigen Stunden schlage ich mein Lager kurz vor der kleinen Siedlung Kap Hope auf. Als ich beim Essen bin, kommt eine Familie zum Jagen an meine Felsküste. Hinter einem Steinwall verschanzt lauern sie auf Robben, die sich hier auf den Schollen ausruhen. Wie bei fast allen Bewohnern Ostgrönlands bildet die Jagd auf Robben, Moschusochsen und auch Wale noch immer einen wichtigen Teil des Lebensunterhaltes. Auch wenn die Inuit inzwischen zumeist moderne Kleidung tragen, werden die Jagdtiere doch noch immer in traditioneller Weise komplett verwertet. Es dauert nur etwa eine Stunde bis ein lauter Knall die Stille zerreißt und Vater und Sohn eilig mit dem Boot die ausgewachsene Ringelrobbe bergen. Diese Familie hat also Fleisch genug für die nächsten Tage. Ich dagegen bleibe für die nächsten Wochen bei meinen Spagetti, die ich mit etwas Fertig-Pemmikan verfeinere. Denn auch ohne Robbenspeck muss ich pro Tag auf circa 4.000 Kilokalorien kommen.
 
 
  Als am dritten Tag endlich die Sonne
Rauskommt, steigt die Stimmung. Ich
liege voll im Zeitplan und fühle mich
absolut fit.
 
 
 
  Nach der Querung des Hurry-Fjords wird das Eis offener und somit auch die Tagesleistungen größer. Um meinen Plan zu verwirklichen und das Milne Land zu umrunden, muss ich pro Tag etwa 23 Kilometer paddeln. Das klingt recht entspannt. Überlegt man sich jedoch, was auf der 600 Kilometer langen Tour alles dazwischen kommen kann, liegt meine Wunschtagesetappe bei ca. 30 Kilometern, um mir ausreichend Reserve vorzuhalten. Am dritten Tag steht dann endlich die geplante Querung des Fjords nach Süden zur Volquard-Boons-Kyst an. Knapp 40 Kilometern trennen mich noch morgens von der beeindruckenden Bergkette im Süden. Zahlreiche Gletscher stürzen sich die steilen Hänge direkt ins Meer hinunter. Durch die klare Luft und diese gewaltige Wand von 2.000 Metern Höhe erscheint die Küste bereits nach kurzer Zeit zum Greifen nahe. Doch es dauert noch Stunden bis ich die ersten Eisfelder erreiche, die die Küste ankündigen.
 
 
  Eine geschlossene Eisdecke, die sich
bis zum Horizont erstreckt,versperrt
mir die Weiterfahrt. Zu dünn zum
Laufen und viel zu dick zum Paddeln.
 
 
 
 
 
Die Eisfelder werden immer dichter und circa sechs Kilometer vor der Küstenlinie stoße ich auf eine ununterbrochene flache Meereisschicht. Ich verschaffe mir einen Überblick von einem höheren Eisrücken aus und muss feststellen, daß die Küste unerreichbar ist. Ich suche den Horizont nach einem Weg nach Westen ab. Ohne Erfolg! Das Barometer zeigt stabiles Wetter an, so beschließe ich, auf einer etwa 30 Meter langen Scholle, die mir stabil genug erscheint, mein Lager aufzuschlagen.
 
 
  Mir ist bewusst, daß genau diese Gegend der Lebensraum des Polarbären ist. Dementsprechend unruhig verbringe ich die Nacht, ständig mit einem Ohr an der Zeltwand und mit einer Hand am durchgeladenen Gewehr. Vom König der Arktis höre ich in dieser Nacht nichts, aber laut knackend und blubbernd dreht sich in unmittelbarer Nähe meiner Scholle ein kleiner Eisberg. Morgens bin ich froh, daß die Scholle nicht von einer Strömung versetzt oder von Packeis eingeschlossen ist, muß aber feststellen, daß ein circa fünf Meter breiter Streifen abgebrochen ist. An dieser Stelle fallen mir die Geschichten von Frithjof Nansen ein, der wochenlang auf Eisschollen saß und diese immer wieder unter seinen Füßen auseinander brachen. Nach dem Frühstück hangele ich mich stundenlang an der Eiskante entlang, versuche zahllosen Kanälen nach Westen zu folgen, nur um dann frustriert festzustellen, daß es kein Durchkommen gibt. Wie ich später feststelle, zieht sich die geschlossene Eisdecke etwa fünfzig Kilometer weit nach Norden bis zu einer Höhe nördlich von Kap Leslie. Gegen Mittag bemerke ich, daß von Süden langsam eine Wolkenfront aufzieht. Da ich keine weitere Nacht im Eis verbringen möchte, schlage ich den Rückweg in Richtung Jameson Land ein. Nach einigen Stunden ziehen die ersten leichten Böen übers Wasser und schieben mich an. Nach 13 Stunden im Kajak ereiche ich an diesem Tag endlich einen geeigneten Strand. Noch am nächsten Tag stecken mir der Frust und die sechzig Kilometer derart im Körper, daß ich einen Pausentag einlege.
 
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Letzte Aktualisierung: 20.05.08
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