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Die
Tragflächen rauchen als wir im Anflug auf den Flughafen der
heimlichen zweiten Hauptstadt Kameruns sind, die Douala heißt.
Glücklicherweise ist der Rauch nicht bedenklich - es ist lediglich
die mit Wasser geschwängerte Luft des Regenwaldes, die hier
ob des starken Unterdrucks an den Flügelkanten und Spitzen
schlagartig auskondensiert. Schon tauchen wir durch die unterste
Wolkenschicht und blicken völlig unvermittelt auf das schier
endlose Grün des Regenwaldes. Und schon setzt unser Fluggefährt
auf der geteerten Landebahn auf. Kurze Zeit später merken wir,
daß wir uns in Afrika befinden müssen. Der Flughafen
verbreitet den herrlich erfrischenden Flair einer tristen Fabrikhalle
- ist nur nicht so gemütlich wie eine solche. Es hat den Anschein
als ob unsere vielen unverkennbar afrikanischen Flugbegleiter diesen
Ort so schnell als möglich verlassen wollen denn sie strömen
in Höchstgeschwindigkeit auf den Schalter für die Einreise
zu. Das ist für den gemeinen Afrikaner, der doch eher gemächlich
und ein wenig träge ist, schon ein wenig ungewöhnlich.
Da Martin und ich heute nichts besonderes mehr vorhaben, lassen
wir uns nicht drängen auch in Hektik zu verfallen.
Die Einreiseformalitäten
gehen erstaunlich schnell vonstatten. Paß auf, Stempel rein
- fertig. Ehe wir uns versehen, stehen wir in einem dichten Gewusel
aus Taschen, Koffern und Menschen, die sich vor irgendetwas stauen.
Es ist die Zollkontrolle, deren Beamten das Gepäck der Fluggäste
genauestens inspizieren wollen. Auf diesem Flughafen landen nur
sehr wenige Flugzeuge und so haben die Beamten mehr als reichlich
Zeit, die Gäste abzufertigen. Als wir gerade dabei sind, durchblicken
zu wollen, wie dieses heillose Durcheinander eigentlich funktioniert,
kommt auch schon ein Flughafenbediensteter in Zivil mit breitem
Grinsen auf uns zu und sagt, daß er für unsere Einreise
ein wenig Geld benötigte. Wir sind so frei und geben ihm das
verlangte und schon befinden sich einige weiße Symbole aus
Kreidestrichen auf unseren knallroten Fahrradtaschen. Dies hat
zur folge, daß wir blitzartig abgefertigt werden und unser
Gepäck vollkommen unangetastet bleibt. Schneller als wir begreifen
können stehen wir auch schon hinter der Zollkontrolle und sind
somit offiziell in Kamerun eingereist.
Blöderweise
ist es inzwischen schon dunkel geworden und wir beschließen,
es uns bis zum nächsten Morgen in der Wartehalle des Flughafens
gemütlich zu machen, soweit es eben geht. Leider währt
unser Schlaf nur kurz denn ein uns wohlbekanntes hochfrequentes
Geräusch läßt uns leise fluchen. Hier gibt es Moskitos
in Hülle und Fülle. An Schlaf ist nun erfahrungsgemäß
nicht mehr zu denken. Die Biester treiben einen in den Wahnsinn.
So vertreiben wir uns die Zeit bis in die zum Morgengrauen eben
damit, so viele der Bestien wie möglich zu erschlagen, was
ein relativ sinnloses Unterfangen ist, da unbegrenzter Nachschub
die toten Kameraden nur allzu schnell ersetzt.
Endlich ist
der ersehnte erste Tag unserer Reise angebrochen. Flugs packen wir
unsere Sachen zusammen und lassen uns auf der Terrasse vor dem Eingang
des Flughafengebäudes nieder. Jetzt ist es an der Zeit, unsere
Fahrräder in Empfang zu nehmen, die wir bereits per Luftfracht
von Deutschland vorrausgeschickt hatten. Nach detektivischer Ermittlungsarbeit
gelingt es uns schließlich, herauszufinden, wo das Gebäude
steht, in dem unsere Fahrräder liegen müßten. Wir
beschließen, das Martin den längeren Weg zur Frachthalle
antritt, während ich auf der Terrasse unser Gepäck vor
den vielen Schaulustigen abschirme, die sich unser angenommen haben.
Nach endlos
langer Zeit kommt Martin betrübt zu mir zurück und erzählt,
daß wir unsere Fahrräder erst einmal ordentlich verzollen
müßten, was einen tiefen Graben in unser Reisebudget
reißen würde, da die Gebühren saftig seien. Aber
wie man ja weiß, liegt die Kunst darin, mehr Zeit zu haben als die
unbarmherzigen Zollbeamten - was allerdings gar nicht so leicht
ist - und in der Taktik sich nicht abwimmeln zu lasen. Diese Taktik
zahlt sich schließlich in Wortsinne aus. Jedoch zeigten die
Zollbeamten große Ausdauer und so kommt es, daß die
Sonne sich bereits zum zweiten male hinter dem Horizont verkrümelt
hat, als Martin völlig entnervt zwei Kartons im Schlepptau
hinter sich her schleifend in meine Richtung schlendert.
Da wir aber
nun den Flughafen besser kennen als die Angestellten des Flughafens,
beschließen wir, unsere Fahrräder so schnell als möglich
zusammenzubauen und einfach zu ignorieren, daß es Nacht wird.
Gesagt getan. Mit großem Interesse nehmen die zahlreichen
Passanten, die sich dicht um uns gescharrt haben die Gelegenheit
war, uns zu beobachten, wie wir unsere Fahrräder in einen funktionsfähigen
Zustand zu versetzen.
Nun ist es soweit
- wir treten zum ersten mal in die Kurbeln und machen uns langsam
in Richtung des Stadtzentrums Doualas davon. Interessanterweise
haben sich ausgerechnet heute einige Aufständische dazu entschlossen,
Unruhe im Lande zu verbreiten. Und so kommen wir irgendwie nicht
so recht voran, da das Militär zahlreiche Straßensperren
errichtet hat. Und jeder, der einmal afrikanische Straßensperren
kennengelernt hat weiß, wie langwierig es sein kann, zur nächsten
zu gelangen. Nach dem wir schließlich zum x-ten male unsere
Lebensgeschichte erzählt haben, und endlich auch den Hafen
hinter uns gelassen haben, fahren wir über einen Damm zur Stadt
hinaus. Die Sonne ist nun entgültig verschwunden und es ist
finster. Finster bedeutet hier in Schwarzafrika auch wirklich finster.
Möchte sagen: stockdunkel, rabenschwarze Nacht - kein Licht.
Hätten wir keine Taschenlampen, so könnten wir uns genausogut
dort hinsetzten wo wir gerade sind, da wir in der undurchdringlichen
Dunkelheit vollkommen verloren wären.
Wir fahren so
einige Zeit auf staubiger Straße wortlos vor uns hin, bis
wir ein seltsames blinken wahrnehmen, das aus allen Richtungen gleichzeitig
zu kommen scheint. Es sind Tausende von Glühwürmchen,
die im Gleichtakt fluoreszieren. Dieses Schauspiel ist faszinierend
anzusehen. Gleich danach kommt uns eine Rinderherde entgegen. Es
ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man weiß, wie groß
die Hörner dieser Rinder sind, die da direkt neben einem dahintraben
und man lediglich deren Umrisse sieht. Wir machen eine Pause am
Wegesrand. Plötzlich beginnt Martin zu springen und wild umherzurennen.
Ich denke mir, daß er doch nicht unbedingt jetzt schon anfangen
muß, sich mit afrikanischen Tänzen zu befassen. Des Rätsels
Lösung wird schließlich im Lichtkegel der Taschenlampe
gelöst. Es sind winzig kleine Ameisen, die sich an seinem Bein
hochgearbeitet haben. Zum Andenken haben sie zahlreiche Blasen auf
seiner Haut zurückgelassen.
Irgendwann ist
es dann soweit - wir werden müde und wollen uns irgendwo aufs
Ohr legen. Wir suchen mit unseren Taschenlampen nach einem geeigneten
Ort und finden schließlich eine Stelle, wo der Wald nicht
so dicht ist und sogar reichlich Platz auf dem Boden ist. So beenden
wir unseren ersten Tag und legen uns in unsere Biwaksäcke.
Es ist bereits
heller Morgen als Stimmen an mein Ohr dringen. Als ich schließlich
unwillig meine Augen öffne, sehe ich direkt in die Gesichter
einiger Plantagenarbeiter. Des Rätsels Lösung ist, daß
wir uns mitten in einer Gummibaumplantage niedergelassen haben,
was zu allgemeinen Erheiterung der Landbevölkerung beizutragen
scheint. Wir packen unsere sieben Sachen zusammen und machen uns
auf den Weg. |